Das bayerische Fach „Ethik“ ist laut den gesetzlichen Bestimmungen ein Ersatzfach zum Religionsunterricht (RU). Die Einführung von „Ethik“ erfolgte im Jahr 1972 nicht zuletzt mit dem Ziel, die Abmeldezahlen vom Religionsunterricht zu verringern. Viele Schüler*innen hatten zuvor durch die Abmeldung Freistunden erreicht. Der Aufgabe als „Sammelbecken“ aller vom RU abgemeldeten Schüler*innen entsprechend, besuchen diesen Unterrichts Schüler*innen aus Familien mit den unterschiedlichsten weltanschaulichen Vorstellungen. Unter ihnen sind auch viele mit religiösem Hintergrund, z. B. Buddhist*innen, Hindus, Muslim*innen etc. Auch die Lehrkräfte haben oft einen religiösen Hintergrund.
Die Hauptfunktion des Fachs Ethik ist es, innerhalb dieser Vielfalt Kenntnisse allgemeiner ethischer Denkweisen und Verständnis und Toleranz für jeweils andere weltanschauliche, religiöse oder sonstige Lebensweisen zu unterstützen. Um die Ausprägung und Pflege einer eigenen weltanschaulichen Identität geht es jedoch im Ethikunterricht nicht. Diese Qualität ist nur dem Religionsunterricht vorbehalten.
Als Vertretung nichtreligiös lebender und humanistisch eingestellter Eltern und Schüler*innen liegt unser Augenmerk auf der Situation dieser Personen in der Schule. Deshalb halten wir das bayerische Fach „Ethik“ für grundsätzlich kritikwürdig. Denn eine wesentliche Funktion des Religionsunterrichts, die christlichen, alevitischen, jüdischen und zunehmend auch muslimischen Schüler*innen in Bayern zur Verfügung gestellt wird, kann ein so konzipiertes Fach nicht erfüllen: Nämlich die Entfaltung eines eigenen weltanschaulichen Standpunktes und die weltanschauliche Identifikation sowie die Kulturation des Eigenen. Das Fach „Ethik“ ist als Ersatzfach nicht nur in seinem gesetzlichen Status defizitär, es ist im Vergleich mit den Bildungszielen des Religionsunterrichts untauglich dafür, den Teilnehmenden eine humanistisch profilierte und weltanschaulich fundierte Bildung zukommen zu lassen. Diese Dimension der Persönlichkeitsbildung an den Schulen zu ermöglichen halten wir jedoch schlichtweg für das Recht aller Schüler*innen und Eltern.